Station 8: Die Frauenkneipe

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In der legendären Frauenkneipe in der Stresemannstraße 60 / Ecke Bernstorffstraße wurde Lesbengeschichte geschrieben. Im Juni 1976 formulierten zehn Frauen die Bestimmung der Frauenkneipe: Musikmachen, Malen, Basteln und Diskutieren in einem männerfreien Raum, der möglichst mit dem Frauenzentrum (damals in der Langenfelder Straße) zusammengelegt werden sollte. Im November 1976 wurden Räume gefunden und der Mietvertrag unterschrieben. Das ehemalige „Sängerheim“ in der Stresemannstraße wurde zur Frauenkneipe umgebaut.

Die Frauenkneipe – eine langjährige Institution

Die Hamburger Frauenzeitung schrieb:

„drinnen ist gleich vorne ein ziemlich großer kneipenraum (ca.50qm) mit runden holznischen und ner theke mit barhockern. ihr könnt dann weiter durchgehen in den starraum: ein mords-großer saal (ca. 85qm und bestimmt 7m hoch) mit 2 schnörkelsäulen, ner (kleinen) bühne. ….zur straße hin liegt ein umheckter vordergarten, in dem wir im Sommer tische und stühle aufstellen können“ (1)

Die Frauenkneipe war ein Ort, der für viele Frauen/Lesben und für ihr Coming-Out wichtig war. Für viele Bewegungslesben war sie das verlängerte Wohnzimmer. Zum anderen war sie aber auch ein Ort, wo sehr kontrovers über unterschiedliche politische Standpunkte und Themen diskutiert wurde, z.B. die Rollenverteilung in lesbischen Beziehungen, den Umgang mit der Bedrohung durch rechte Gruppen, die an einem 20. April (Hitlers Geburtstag) linke Projekte angreifen wollten, das Für und Wider eines sado-maso Raums und vieles mehr. In der Frauenkneipe fanden die ersten Tanzkurse ausschließlich für Frauen statt. Die langen Disconächte waren wunderbar und führten zugleich immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Nachbar:innen.

Der „intergalaktische Tittenball“ in der Werkstatt 3 an einem Sylvester Anfang der 1980er führte zu heftigen Diskussionen und mindestens einem Gegenfest, denn viele Lesben empfanden die Bezeichnung „Tittenball“ als sexistisch.

Frauenkneipe = Lesbenkneipe !?

Die Kneipe nannte sich zwar Frauenkneipe, es waren aber besonders die Lesben, die ihre Energie und Zeit für den laufenden Betrieb aufbrachten. Es gab eine Kneipengruppe und der Kneipendienst wurde von den Frauen selbst geleistet. Die Frauenkneipe war viele Jahre selbstorganisiert. Sie gehörte sozusagen allen, die sich aktiv am laufenden Betrieb beteiligten.

Das Motto „Feminismus ist die Theorie, Lesbischsein die Praxis” war prägend für die Zeit. Jeder  selbstgewählte Kontakt zu Männern war für viele Lesben aus dieser Szene damals undenkbar. Frauen mit langen Haaren wurden misstrauisch beäugt und ihr Lesbisch-sein infrage gestellt. Denn zum bewegungslesbischen Erkennungs-Outfit gehörte damals die Kurzhaarfrisur.

Umstritten war auch der Kontakt zu Schwulen. Viele lesbische Frauen fühlten sich der Frauenbewegung zu der sie sich auch zählten, viel näher. Diese Form des Separatismus war für viele Lesben in dieser Zeit notwendig, um sich selbst, ihren eigenen Standpunkt und ihren Ort in einer immer noch frauen- /lesbenfeindlichen Welt zu finden.

Die Frauenkneipe erlebte eine wechselvolle Geschichte, aus dem selbstorganisierten Projekt wurde später ein professionell geleiteter Betrieb.   

Kneipenaus

2004 stand die Kneipe kurz vor dem Aus – „Allein mit Ideen und Idealismus hat dieses Urgestein der Hamburger Lesbenszene keine Zukunft“  (2) befanden Frauen des Vereins, der die Kneipe zu der Zeit trug. Zu hoch waren die Schulden. Zudem gab es immer wieder Ärger mit den Nachbar:innen, denen die Musik zu laut war und die wohl auch homophob waren. Benefizpartys für die Raumdämmung und zum Begleichen der Schulden brachten zwar Geld, aber nicht genug. Nach längerem Hin und Her und musste die Frauenkneipe trotz der Tilgung eines Großteils der Schulden im Juli 2004 schließen.

Artikel in der escape zum Erhalt der „FK”. Im Original sind oben rechts Frauen abgebildet, die aus datenschutzrechtlichen Gründen hier verdeckt wurden.

Die „tochtergesellschaft“ übernahm danach für einige Zeit die Räumlichkeiten, öffnete am Freitag auch für „gay friends“, konnte sich aber auf Dauer nicht halten.

Hier – an der Ecke Stresemann-/Bernstorffstraße – war die Frauenkneipe lange Jahre beheimatet

Anmerkungen:

(1) Frauen Zeitung, Frauenzentrum Hamburg Heft 7, Dezember 1976  S.5

(2) Claudia Peiser: Die Frauenkneipe bleibt in:  escape Nr.5, Mai 2004 S.4


Bildnachweis:

Fotos: Annette Falck, Banner Frauenkneipe Privatarchiv H.Mews


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