Station 1: Frauen in Männerkleidung

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In den kleinen, dicht gedrängten Häusern im Hamburger Gängeviertel wohnten die Menschen der unteren Schichten. So vermutlich auch die erste nachweisbar lesbisch lebende Frau in Hamburg, Ilsabe Bunk.

Die erste für Hamburg nachweisbar lesbisch lebende Frau hat vermutlich in einem der typischen Unterschichtenhäuser wie diesem hier (Bäckerbreitergang 49-50) gewohnt.

Lesbische Liebe unter Strafe

Lesbisch lebende Frauen gab es immer. Doch gleichgeschlechtliche Liebe war lange verboten. Ab 1532 bis Mitte des 19.Jahrhunderts hinein galt die „Carolina“, ein Gesetz, das weibliche und männliche Homosexualität als Sodomie bezeichnete und mit dem Tode bestrafte. (1) Deshalb hielten lesbische Frauen ihre Beziehungen geheim. Sie waren gesellschaftlich unsichtbar und hinterließen nur dann Spuren, wenn sie mit dem Gesetz in Konflikt gerieten – wegen ihrer Homosexualität oder anderer Straftatbestände.

In Hamburg sind zwei lesbische Frauen dieser Zeit namentlich bekannt: Cathrin Rosenbrock lebte und arbeitete zwölf Jahre lang als Mann verkleidet. 1684 wurde sie wegen „üblen Verhaltens und Gottlosen Lebens halber, auch wegen verleuchnung ihres weiblichen Geschlechts“ ins Spinnhaus gesperrt. (2) Das Spinnhaus an der Binnenalster war ein Gefängnis in das überwiegend (arme) Frauen kamen, die sich nicht anpassten. Sie mussten dort nach strengen Regeln leben und Wolle bearbeiten, spinnen und weben. (3)

Ilsabe Bunk gestand unter Folter die Beihilfe zum Mord an Maria Rieken. Daraufhin wurde sie zum Tode verurteilt. Im Januar 1702 wurde sie auf dem Richtplatz von St. Georg gerädert und anschließend verbrannt. Viele Menschen nahmen am Hinrichtungszug unter dem Gesang von Schandliedern teil.

Ilsabe Bunk hatte ein Leben als Mann geführt, weil sie nicht länger als Hausangestellte oder Magd arbeiten wollte. Vermutlich war sie von ihren Dienstherren belästigt worden. Als Frau fand sie keine andere Arbeit. So nahm sie eine männliche Identität an und arbeitete in verschiedenen Männerberufen: als Soldat, Seemann und später als Gehilfe des Apothekers Johann Friedrich Jähner in Hamburg. Als Mann konnte Ilsabe Bunk zudem ihre Geliebte, Cäcilie Jürgens, heiraten. Leider eine unglückliche Ehe, da Ilsabe Bunk ihre Partnerin verdächtigte, ein Verhältnis mit einem Mann zu haben.

Frauen in Männerkleidern

Im 16., 17. und 18. Jahrhundert versuchten viele Frauen ihren Lebensunterhalt in Männerkleidung zu bestreiten. In dieser Zeit war die Kleidung einer strengen Ordnung unterworfen, nach der sich alle richten mussten. Kleidung drückte die Zugehörigkeit zu einem bestimmten gesellschaftlichen Stand oder einer Zunft aus. Und wer Männerkleidung trug, galt als Mann. Die Männerrolle bot vor allem jungen Frauen aus sozial schwachen Verhältnissen sowie Waisen und Zugewanderten Schutz und Vorteile auf dem Arbeitsmarkt. Männlich gekleidete Frauen arbeiteten häufig als Handwerker, Soldaten oder Seeleute. Manchmal wurde erst nach ihrem Tod ihr weibliches Geschlecht entdeckt.

Buchtipp: Die Autorin Claudia Weiss erzählt die Geschichte von Ilsabe Bunk in ihrem Roman „Schandweib“.


Anmerkungen:

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Constitutio_Criminalis_Carolina

(2) https://www.feminitemuseum.de/post/catharin-rosenbrock-1642-1684

(3) https://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-schlagwortregister/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=3783


Literatur:

Claudia Weiss: Schandweib. Hamburg 2011

Angela Steidele: In Männerkleidern. Das verwegene Leben der Catharina Margaretha Linck alias Anastasius Lagrantinus Rosenstengel, hingerichtet 1721. Biographie und Dokumentation. München 2021

Rudolf Dekker/Lotte van de Pol: Frauen in Männerkleidern. Weibliche Transvestiten und ihre Geschichte. Berlin 1990

Gertrud Lehnert: Wenn Frauen Männerkleider tragen. Geschlecht und Maskerade in Literatur und Geschichte. München 1997

Gundula Wolter: Hosen, weiblich. Kulturgeschichte der Frauenhose. Marburg 1994

Jakob Michelsen: Von Kaufleuten, Waisenknaben und Frauen in Männerkleidern : Sodomie im Hamburg des 18. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Sexualforschung. – Bd. 9 (1996), 3, S. 205-237.


Bildnachweis:

Fotos Bäckerbreitergang und Erinnerungstafel: Annette Falck, Foto Eingangstür mit Buch: Reingard Wagner


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