Station 9: «von heute an» – Bücher für die bewegte Lesbe

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Im April 1978 öffnete der Frauenbuchladen „von heute an“ in der Bismarckstraße 98. Für Lesben war er ähnlich bedeutsam wie die Frauenkneipe. Mit seinem lesbisch-feministischen Sortiment trug der Frauenbuchladen dazu bei, dass Frauen ihre Sexualität und auch ihr Lesbischsein entdecken konnten. Besonders am Anfang war der Laden ein wichtiger Kommunikations-, Vernetzungs- und Veranstaltungsort. Regelmäßig fanden spannende Lesungen mit lesbischen und/oder feministischen Autorinnen statt.

In anderen Städten gab es bereits Frauenbuchläden, z.B. seit 1975 „Lillemor“ in München und „Labrys“ in Berlin. Als Fachbuchhandlungen für emanzipative Literatur schlossen die Frauenbuchläden eine Bedarfslücke, die in der Frauenbewegung entstanden war. In anderen Buchhandlungen waren diese Bücher und Schallplatten nicht zu finden, auch nicht in den Bibliotheken. Das Internet gab es damals noch nicht.

Die Gründungsfrauen des Hamburger Frauenbuchladens hatten sich in der Frauenkneipe kennengelernt. Sie wollten einen Arbeitsort für Lesben schaffen, aber nicht nur das. Ihr Anspruch war, gemeinsam mit Lesben zu leben, zu arbeiten und politisch aktiv zu sein gegen das Patriarchat und den Kapitalismus. Das Sortiment war auf die lesbisch-feministische Zielgruppe zugeschnitten: Literatur von Lesben und frauenbewegten Frauen, Bücher zu feministischer Theorie, Krimis von Frauen und LPs von lesbischen und/oder frauenbewegten Musikerinnen aber z.B. auch Anti-AKW Literatur. Über die Jahre erweiterte sich das Angebot. Hinzu kamen CDs mit Musik von Frauen aus aller Welt, Videos, Geschenkartikel und Spiele. Ab dem Jahr 2000 verkaufte „von heute an“ zudem Sex Toys wie Vibratoren oder Liebeskugeln, was nicht alle Kundinnen gut hießen, weil für sie Sexspielzeug nicht in einen Buchladen gehörte bzw. das zu Pornographie zählte, die abgelehnt wurde.

oshra danker – eine der „Mütter“ des Frauenbuchladens zu dessen Geschichte

Der Frauenbuchladen hatte eine wechselvolle Geschichte mit Höhen und Tiefen. In den ersten sieben Jahren wurde das Projekt als Kollektiv organisiert, später wurde der Laden von wechselnden Inhaberinnen geführt. Am 31.1.2005 wurde er nach 26 Jahren geschlossen. Wie andere kleinere Buchläden hatte auch der Frauenbuchladen es gegen Buchkaufhäuser und -ketten schwer, auch der online Handel war inzwischen eine große Konkurrenz. Hinzu kam, dass sich die Kürzungspolitik des CDU-Senats bei den Frauenprojekten indirekt auf den Umsatz des Frauenbuchladens auswirkte. Zum Beispiel konnte das Frauenbildungszentrum DENKtRÄUME nicht mehr so viele Bücher dort kaufen, weil ihm die finanziellen Mittel gekürzt worden waren.

Der Frauenbuchladen Heute
Der Frauenbuchladen Heute

Die beiden letzten Besitzerinnen, Agnes Haß und Susanne Junker, sagten zur Schließung:

„Uns scheint der Frauenbuchladen ein kleiner Dinosaurier zu sein, der sich jetzt mit Würde verabschieden möchte“ (1)


Anmerkungen:

(1) Taz 13.10.2004


Literatur:

Zum Frauenbuchladen siehe:

Heike Dierbach: Dildo hat euch lieb  taz 4/5.3.2000

Good bye Frauenbuchladen in: Escape 11/2004 S.8 /9

Frauenbuchläden allgemein:

Ilona Bubeck: Lesbisch literarischer Spiegel – Frauenbuchläden, Verlage und Vertrieb. In: Gabriele Dennert, Christiane Leidinger, Franziska Rauchut  (Hrsg.innen): In Bewegung bleiben. 100 Jahre Politik, Kultur und Geschichte von Lesben. Berlin 2007 S.225-228


Bild-/Videonachweis:

Foto Frauenbuchladen Heute von Annette Falck; Film von Maxime Lequeux und Emilia Tschertkowa


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